GRÜNDONNERSTAG

Die Arm-Seligkeit unseres Lebens

Wenn die Karwoche in diesem Jahr schon lange vor ihrer liturgischen Feier begonnen hat und wohl auch noch weit über die Osterfeiertage hinaus andauern wird, dann bedeutet das ganz sicher nicht, wie manche meinen, dass wir auf einen ewigen Karfreitag zugehen und in diesem Jahr Ostern nicht stattfinden könnte. Im Gegenteil: Jeder von uns hat es in der Hand, das unverwechselbar Seine zu einem österlichen Schulterschluss der Hoffnung beizutragen. 

 

Dazu möchte ich von heute, Gründonnerstag, bis zum Ostersonntag, ein paar Gedanken anbieten, die Bezug nehmen auf die vier vom ORF 2016 im Römerland Carnuntum gedrehten Folgen der Sendung „Was ich glaube“. Die dort behandelten „Vier Arten der Kraft“ erinnern daran, dass wir das Allermeiste, das wir zur Bewältigung von Krisen und Schwierigkeiten in unserem Leben brauchen, in uns selbst finden und es „nur“ entdecken und hebammengleich aus uns „herausarbeiten“ müssten.

 

DIE ARM-SELIGKEIT UNSERES LEBENS 

 

Eine erste Art der Kraft, die als Grundbedürfnis eines geschwisterlichen Miteinanders in jedem Menschen angelegt ist, liegt in Sanftmut, Güte und Dankbarkeit. Auch wenn das geradezu einfältig und weltfremd klingen mag: Es gibt uns nur im Miteinander. Schon die griechische Antike beschimpft denjenigen, der sich absondert und mit anderen Menschen nichts zu tun haben will als „idiotes“, als Eigenbrötler und Sonderling. 

 

Eines der vielen ermutigenden Gegenbilder dazu ist das Lebensprogramm des umbrischen Bettelmönchs Franziskus. Seine „Lehre“ ist einfach, im besten Sinne des Wortes „arm-selig“. Seine Art, die Armut zu leben, macht „selig“, fordert nicht in erster Linie Verzicht, sondern die Einsicht, dass Leben auf Dauer nur in Einheit mit der Schöpfung, in der Balance zwischen Geben und Nehmen, im Hin und Her von Schenken und Beschenkt-werden gelingen kann. 

 

Reich ist im Sinne von Franziskus nicht, wer viel hat, sondern der, der sich nur nimmt, was er braucht und der weiß, dass für alle genug da ist. Großzügig und verschwenderisch gibt ihm die Mutter Erde alles, was er braucht und behält dabei nichts für sich zurück. Dieser seiner Mutter und allem, was auf ihr lebt, singt der Mann aus Assisi sein Lied. Der sogenannte Sonnengesang ist keine romantische Verklärung der Natur, sondern ein Lebensprogramm in Sanftmut, Güte und Dankbarkeit. Lauter „Tugenden“, ohne die es kein liebevolles Miteinander unter Menschen, kein gelungenes Leben in unserer Welt geben kann. 

 

In vielen Erzählungen (den sogenannten „Fioretti“) wird berichtet, dass Franziskus die Notwendigkeit eines solchen Miteinanders auch den Vögeln und den wilden Tieren gepredigt hätte; dabei wäre es ihm einmal gelungen, einen hungrigen Wolf davon abzubringen, in der Stadt Gubbio sein Unwesen zu treiben. Franziskus hätte Mitleid mit der Angst der Menschen gehabt, genauso aber auch mit dem hungrigen Wolf. Und wie immer es ihm auch gelungen sein mochte: Das wilde Tier und die verängstigten Menschen hätten sich aneinander gewöhnt, wären Freunde geworden; jede Seite hätte etwas von der Not der jeweils anderen Seite verstanden, die Furcht voreinander hätte sich in angstfreies Miteinander gewandelt; und wer seither in Gubbio den Wolf Tag für Tag friedlich von einem Haus zum anderen ziehen sah, wäre dabei an die friedenstiftende Sanftmut und Güte des Heiligen erinnert worden… 

 

Die Radikalität dieser Sanftmut ist oft belächelt, aber nie übertroffen worden. Seine Umgebung nannte Franziskus „alter Christus“, einen zweiten Christus. Trotz des anfänglich erbitterten Widerstandes während der ersten Jahre seines Wirkens wurde er bereits zwei Jahre nach seinem Tode im Jahre 1228 heiliggesprochen. Viele Menschen, die weltweit einen großen Teil ihrer Zeit dafür einsetzen, die Schöpfung vor dem hungrigen Wolf des Raubbaus und der Ausbeutung zu bewahren, sehen in Franz von Assisi ihr großes Vorbild. Kein anderer Heiliger des Christentums hat außerhalb seiner Religionsgemeinschaft weltweit mehr Wertschätzung und Hochachtung erfahren. Und es war wohl ein geradezu prophetischer Schachzug des jetzigen Papstes, seinem Pontifikat ein franziskanisches Regierungsprogramm zu verordnen und so einer ausgebeuteten, verwundeten und kranken Welt ins Gewissen zu reden. 

 

Am Freitag, den 27. März 2020, sorgte Papst Franziskus dafür, dass Millionen Menschen auf der ganzen Welt für einen Augenblick den Atem angehalten haben: In einer gespenstisch berührenden Gebetsstunde ging er in seiner weißen Soutane allein über den menschenleeren Petersplatz, stand dann vor dem leeren Dom und rief allen in der Welt, die sich mit ihm in dieser Stunde verbunden wussten, zu: 

 

„Wann, wenn nicht jetzt, könnten wir besser verstehen, dass wir alle im selben Boot sitzen und füreinander Verantwortung tragen!?“ 

AM 

 

Dem Gründonnerstag gewidmet: Was ich glaube: „Die Kraft der Sanftmut“ – Kloster St. Anna im Naturpark DIE WÜSTE Mannersdorf