Alfred Adlers Behandlungspraxis geht davon aus, dass ärztliches Handeln in "sozialer Gleichwertigkeit" begründet ist. Der Klient und der Therapeut haben dabei die Vereinbarung getroffen,
"in einer Atmosphäre, die von gegenseitigem Respekt und Kooperation geprägt ist, als Gleichwertige miteinander zu arbeiten".
Die Bedeutung einer humorvollen, heiteren Gemütsverfassung als Ausdruck seelischer Gesundheit ist von Adler immer wieder herausgestellt worden. Dies mag zunächst ein Ausdruck seiner
eigenen Lebenseinstellung gewesen sein, die - ganz im Gegensatz zu der zurückhaltenden Behandlungspraxis Freuds - von augenzwinkernder, fröhlicher Offenheit geprägt war.
Adler begründet diese humorvolle Offenheit durch Hinweise auf die "sozial verbindenden Affekte" der Freude und Heiterkeit. Diese sind für ihn wichtige Kennzeichen psychischer Gesundheit.
Heitere Menschen sind demnach "gute Menschen":
"Es sind Menschen, die (...) nicht immer bedrückt und besorgt einhergehen, auch die anderen nicht immer zum Objekt und Träger ihrer eigenen Sorgen machen, die es über sich bringen, im
Zusammensein mit anderen Heiterkeit auszustrahlen, das Leben zu verschönern und lebenswerter zu machen. Man spürt den guten Menschen nicht nur in ihren Handlungen, in der Art, wie sie
sich uns nähern, mit uns sprechen, auf unsere Interessen eingehen und für dieselben wirksam sind, sondern auch in ihrem ganzen äußeren Wesen, in ihren Mienen und Gebärden, in freudigen
Affekten und in ihrem Lachen. Ein tiefblickender Psychologe, Dostojewsyi, sagt, dass man einen Menschen am Lachen viel besser erkennen könne als aus langwierigen psychologischen
Untersuchungen." (Adler 1927/1966, S. 221)
1: HUMOR – DIE KUNST DES INNEREN GLEICHGEWICHTS
Das Wort "Humor" kommt aus dem Lateinischen und bedeutet ursprünglich "Feuchtigkeit" oder "Flüssigkeit". Es bezieht sich auf die Körpersäfte (lateinisch "humores") Schleim, Blut, schwarze
Galle und gelbe Galle. Ihre jeweilige Dominanz gilt für die antike Temperamentenlehre, wie sie vom Leibarzt des Kaisers Marc Aurel, dem griechischen Arzt Galenos von Pergamon überliefert
wurde, als Ursache für die typologischen Besonderheiten von Phlegmatikern, Sanguinikern, Melancholikern und Cholerikern. Jeder Körper hat sein individuelles Gleichgewicht dieser Säfte.
Geraten die Säfte ins Ungleichgewicht, kommt es zur Krankheit. Ein "guter Humor" hängt nach dieser Ansicht von einem ausgeglichenen Verhältnis dieser Körpersäfte ab. Einen Menschen, der
keinen Humor hat, bezeichnen wir deshalb auch als "trocken". "Humor" erscheint so als Kunst, für inneren Ausgleich zu sorgen und das leib-seelische Gleichgewicht wieder herzustellen.
Michael Titze, einer der Pioniere auf dem spannenden Feld von Therapie und Humor ist überzeugt davon, dass mit Humor Heilung von vor allem frühkindlicher Beschämung möglich ist.
2: DER WITZ UND SEINE BEZIEHUNG ZUM UNBEWUSSTEN
Gute Witze enthüllen, was Ideologien verbergen. Sie entwerten oder relativieren, was idealisiert wird. Und sie werten so manches auf, was im herrschenden Bewusstsein abgewertet wird.
Gute Witze sind "Kleinkunstwerke besonderer Art", weil sie sich der "hergestellten Dummheit" (Alexander Mitscherlich) entziehen, diese entlarven und ein im doppelten Wortsinn "e-normes
Bewusstsein" (Karl Marx) zum Ausdruck und zur Sprache bringen.
Gute Witze und das Darüber-lachen-können ist der beste Seismograph für die seelische Verfassung eines Menschen. Wem das Lachen vergangen ist, dessen Kraft ist auch bald dahin und mit ihr
die Freude an der Arbeit und in der Folge die Freude am Leben. "Wer nachtragend ist, hat viel zu schleppen!"
3. HUMOR BRAUCHT WOHLWOLLEN
Humor setzt eine wohlwollende Einstellung voraus. Wer ärgerlich oder gereizt ist, kann nicht humorvoll sein, er bringt sich in die Gefahr, dass seine humorvoll gedachten Äußerungen
zynisch oder sarkastisch wirken und die Beziehung verschlechtern. Bei humoristischen Bemerkungen lohnt es sich deshalb sehr, auf das verbale und nichtverbale Feedback der Gesprächspartner
zu achten. Es heißt zwar: "Lachen ist die beste Medizin!" Aber auch diese Medizin versagt manchmal und kann unerwartete unbeabsichtigte Nebenwirkungen haben. Dann wird im Handumdrehen aus
dem Lachen der Spott und aus dem Lächeln das Grinsen.
4: DIE MAGIE DES LÄCHELNS
"Jeder Tag, an dem Du nicht lächelst, ist ein verlorener Tag!" (Charlie Chaplin)
Es genügt oft ein Lächeln, um das Leben eines Menschen zu verändern.
Jeder Mensch kann jedem Menschen, dem er begegnet jeden Tag den Liebesdienst eines Lächeln leisten, vorausgesetzt freilich, dass er mit offenen Sinnen und feinen Antennen für die Not und
die Bedürfnisse der Menschen unterwegs ist.
In einem mir seit dem Jahre 1968 sehr vertrauten Lied heißt es:
"Lächelt dir nur im Stadtgewühl
ein ganz Fremder zu,
der wohl denkt wie du...
Diese Sekunde Glücksgefühl,
kaufen kannst du sie
doch im Leben nie."
Text der dritten Strophe des Liedes von UDO JÜRGENS, "Was wirklich zählt auf dieser Welt" (1968)
Wer weiß schon, wie vielen Menschen er durch ein kurzes Lächeln neue Perspektiven der Ermutigung schenken konnte?