von Arnold Mettnitzer | 19.02.2023| KLEINE ZEITUNG
Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere Wange hin.
Mk 5,39
Die deutsche Schriftstellerin Christa Reinig, aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen im Osten Berlins, 1951 wegen ihrer nonkonformistischen Haltung gegenüber jeglicher Autorität von den DDR-Behörden mit einem Publikationsverbot belegt, publiziert deshalb ihre Werke bereits in den 1950er-Jahren ausschließlich in westdeutschen Verlagen.
In ihrem Gedicht „Die Prüfung des Lächlers“ beschreibt sie das rätselhafte Lächeln eines Menschen als die Quintessenz der Bergpredigt, als Inbegriff des gewaltfreien Widerstands, als sprichwörtlich steten Tropfen, der Steine höhlt und Tyrannen scheitern lässt:
„als ihm die luft wegblieb, hat er gelächelt /
da hat sein feind ihm kühlung zugefächelt /
er lächelte, als er zu eis gefror /
der feind rückt ihm die bank ans ofenrohr //
er lächelte auch, als man ihn bespuckte /
und als er brei aus kuhmist schluckte /
er lächelte, als man ihn fester schnürte /
und er am hals die klinge spürte //
doch als man ihm nach einem wuchtigen tritt /
die lippen rundum von den zähnen schnitt /
sah man ihn an, erst ratlos, dann erstarrt /
wie er im lächeln unentwegt verharrt.“
Arnold Mettnitzer