Unbesiegbar ist,
wer über sich selbst und die Welt lächeln kann.
Ich habe es jahrelang nicht verstehen können,
dass mir in der Bergpredigt geraten wird,
mich über Beschimpfung und Verfolgung zu „freuen“ und zu „jubeln“,
weil der Lohn im Himmel dafür groß sein wird:
„Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt
und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet.
Freut euch und jubelt:
Euer Lohn im Himmel wird groß sein.“
Mt 5, 11-12
Ist das nicht billiger Trost?
Ist das nicht geradezu „lässige“ Vertröstung?
Irgendwann bin ich dann - vor Jahren - auf ein Gedicht von Christa Reinig gestoßen.
und nach seiner Lektüre hat sich für mich eine ganz andere Sichtweise aufgetan:
Die Prüfung des Lächlers
für meine mutter,
die dem lächler das haupt gehalten hat.
als ihm die luft wegblieb, hat er gelächelt
da hat sein feind ihm kühlung zugefächelt
er lächelte, als er zu eis gefror
der feind rückt ihm die bank ans ofenrohr
er lächelte auch, als man ihn bespuckte
und als er brei aus kuhmist schluckte
er lächelte, als man ihn fester schnürte
und er am hals die klinge spürte
doch als man ihm nach einem wuchtigen tritt
die lippen rundum von den zähnen schnitt
sah man ihn an, erst ratlos, dann erstarrt
wie er im lächeln unentwegt verharrt.
Christa Reinig
Aus:
Frankfurter Anthologie. Gedichte und Interpretationen.
Herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Marcel Reich-Ranicki,
dritte Auflage 1977, Seite 219
Dieses Gedicht beschreibt einen Menschen, der lächelt,
über die Welt, über die Feinde, über sich selbst; einen Menschen, der rätselhaft lächelt
und dem man das Lächeln nicht wegnehmen kann, auch nicht in der Tortur.
Dieses Gedicht von Christa Reinig, das ein konkretes, wenn auch zeitloses Ereignis aufschreibt,
weist darüber hinaus in ein politisches oder theologisches Gleichnis.
Glaube, der von innen kommt, kann so stark und überzeugend sein, dass er den andern, den Feind, verändert;
das weiche Wasser besiegt den harten Stein; der Schwache besiegt den Tyrannen…
(vgl. dazu: Horst Bienek, Lächeln über die Welt und über sich selbst, a.o.a.O., 220)