DIE ANGST VOR DER EIGENEN VERGANGENHEIT
OSTERPUTZ –
Nachschau halten, In-sich-gehen & aufräumen
Schon lange nicht mehr war ich da unten,
im Keller des Herzens,
wo die alten Weine der Weisheit liegen,
die inzwischen zu Kostbarkeiten gereift sind.
Auch, fällt mir auf, war ich schon lange nicht mehr
da oben war unterm Dach,
wo die Tauben nisten und sich für ihren Ausflug rüsten…
Die Tage der Fastenzeit und dort ganz besonders die ersten Tage der „Karwoche“, der „Heiligen Woche“, wie die Mittelmeerländer sagen, der „settimana santa“, eigen sich besonders gut, zur Vorbereitung auf das Osterfest.
Da ginge es darum, nicht nur Räume zu putzen und Gänge zu kehren, auch nicht nur darum, so manchen vollgepackten Raum zu entrümpeln…
OSTERPUTZ, das könnte ja auch bedeuten,
möglichst ohne Angst hinunterzusteigen in die Kellergänge des eigenen Herzens, um dort nach Vergessenem und Übergangenem zu suchen…
Davor haben Menschen eine eigentümliche Scheu.
Vielleicht, weil sie Angst vor den Leichen im Keller haben…
Vielleicht, weil sie mit den dunklen Seiten der eigenen Vergangenheit nicht in Berührung kommen wollen…
OSTERPUTZ, das könnte bedeuten:
Meine Welt so anzuschauen, wie sie sich mir zeigt und dabei zu entdecken, wie viel Herrliches und Gutes darin verborgen liegt.
OSTERPUTZ, das könnte bedeuten:
Meine Angst vor der Vergangenheit in Neugier zu verwandeln,
die Vorsicht in Zuversicht…
Alexander Solschenizyn fragt einmal:
„Wenn man immer nur vorsichtig ist, ist man dann überhaupt noch ein Mensch?“
OSTERPUTZ, das könnte bedeuten:
Mich zu fragen, was sie wohl damit meint, wenn mir die Bibel an unzähligen Stellen die Frage stellt: „Wovor hast Du solche Angst?“ und mir zuruft: „Fürchte dich nicht!“
OSTERPUTZ, das könnte mich entdecken lassen:
„Die Wahrheit macht mich frei!“
„Die Wahrheit ist dem Menschen nämlich nicht nur zumutbar“,
(wie Ingeborg Bachmann formuliert), sie ist und bleibt die bessere Option. In jedem Fall lohnt sich der „Versuch, in der Wahrheit zu leben“ (Vaclav Havel).
All unsere Probleme beginne in dem Moment, in dem ich aufhöre stolz zu denken, „ICH BIN“ und anstelle dessen anfange zu denken „ICH SOLLTE SEIN!“
Erwin Ringel warnt davor, eine Kobra im Wohnzimmer dadurch entfernen zu wollen, dass man sie unter den Teppich kehrt!
Dort legt sie in aller Ruhe Eier und kommt zur Unzeit als siebenköpfige Hydra wieder zum Vorschein!
Bibel: „wenn man dich vor Statthalter & Könige schleppt, dann überleg nicht, was du sagen sollst! Der Geist, der in dir wohnt, wird dir eingeben, was du sagen sollst!“
ANGST VOR DEM HIER & JETZT
DIE ANGST VOR DEM UNERWARTETEN
„Unverhofft kommt oft“, sagt ein Sprichwort.
Wenn das Unverhoffte dann aber an meine Tür klopft,
wenn plötzlich ein Totgeglaubter lebendig vor mir steht,
bin ich entweder nicht zuhause, oder aber öffne die Türe nicht…
… aus ANGST
ANGST
Meine Angst
ist so groß geworden
dass sie vor nichts mehr Angst hat
Meine Angst
ist so groß geworden
dass alles Angst hat vor ihr
In Wirklichkeit ist meine Angst
klein geblieben
und kleinlich
Auch mich macht sie klein
und kleiner
Nur dadurch kommt sie mir groß vor
Erich Fried, Gesammelte Werke, Gedichte , Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1998, Seite 344
UNSER ALLER ERSTE AUFERSTEHUNG
IST DIE AUFERSTEHUNG GEGEN DIE ANGST,
DIE UNS KLEIN MACHT UND KLEIN ZU HALTEN VERSUCHT!
AUFERSTEHUNG IN DIESEM SINNE
IST JEDEM MENSCHEN ZUGEMUTET!
DAS OSTERFEST ruft mir zu:
DU BIST EIN FÜLLEWESEN!
ES STECKT WEIT MEHR IN DIR,
ALS DU DIR SELBST ZUTRAUST!
AUFERSTEHUNG IST KEIN EINZELSCHICKSAL,
AUFERSTEHUNG SUCHT AUCH IM TODE NOCH
NACH DEM LEBEN,
wie das Stefan Andres in seinem für mich schönsten Gedicht zum Ausdruck bringt:
AN DEN TOD
Wenn du mich triffst, sprich leise,
Als wär ich dir bekannt;
Und von der langen Reise
Sag nichts, gib mir die Hand.
Ich weiß nicht, ob ich bange,
Zeigst du mir dein Gesicht;
Vielleicht kenn ich’s schon lange.
Vielleicht auch kenn ich’s nicht.
Du bist so schwer zu nennen,
O Tod, ich nenn dich Weib!
Damit ich im Erkennen
Still zu dir sage: bleib!
Vielleicht wird Liebe wehen
Um uns, bin ich bereit -
Dann zeug ich im Vergehen
Mit dir: Unsterblichkeit.
Stefan Andres, in: Gion Condrau, CERTA MORIENDI CONDITIO.
Der Mensch und sein Tod, Kreuz Verlag, Zürich 1991, Seit2 12
Ein österliches Sprichwort in Italien lautet:
„Natale con i tuoi!
Pasqua, con chi vuoi!“
„Weihnachten musst Du mit Deiner Familie feiern!
Ostern kannst Du feiern, mit wem Du willst!“
OSTERN IST DAS FEST DER BEGEGNUNG,
IN DER FREMDE ZU FREUNDEN WERDEN!
OSTERN ABER KÖNNTEN WIR JA AUCH ALS FEST VERSTEHEN,
BEI DEM MIR BEWUSST WIRD, DASS ALLE MEINE FREUNDE
FÜR MICH ZUNÄCHST FREMDE WAREN.
GIBT ES DORT, WO WIR ANGST VOR DEN FREMDEN HABEN,
EINE STRATEGIE GEGEN DIESE ANGST?
JA! Mit denen, die Angst haben, muss ich reden!
Gleichzeitig aber muss ich gegen die, die Angst machen, argumentieren!
Befrage ich die Bibel dazu, sagt sie mir über 300 Mal:
„Hab keine Angst!“ „Fürchte dich nicht!“
Der andere Mensch ist in erster Linie meine Chance,
nicht meine Gefahr!
Unsere tiefste Angst ist nicht, dass wir unzulänglich,
unsere tiefste Angst ist, dass wir über die Maßen machtvoll sind.
Es ist unser Licht, vor dem wir am meisten erschrecken,
nicht unsere Dunkelheit.
Wir fragen uns: Wer bin ich denn,
dass ich so brillant, großartig, talentiert, fabelhaft sein sollte?
Aber wer bist du denn, dass du es nicht sein solltest?
Du bist ein Kind Gottes.
Dich klein zu halten, dient der Welt nicht.
Dich klein zu halten, damit die anderen um dich herum
sich nicht unsicher fühlen:
das hat nichts mit Erleuchtung zu tun.
Wir sind dazu bestimmt, zu leuchten und zu strahlen wie die Kinder.
Wir sind geboren,
um die Größe Gottes, der in uns lebt, zu verwirklichen.
Und diese Größe ist nicht nur in einigen von uns,
sie ist in jedem Menschen.
Und wenn wir unser Licht leuchten lassen,
dann geben wir unbewusst anderen Menschen die Erlaubnis,
das selbe zu tun. Wenn wir selbst von Angst frei sind,
dann sind die anderen durch unser Dasein auch frei.
Marianne Williamson, aus ihrem Buch „Rückkehr zur Liebe“