Trotz allem

von Arnold Mettnitzer | 16.10.2022 | KLEINE ZEITUNG 


 

Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung.

Tim. 4, 2 

 

Alle Krisen, die uns im Moment zugemutet werden, sind Zumutungen im doppelten Sinn des Wortes: Sie machen uns Angst und sie fordern Mut! Parallel dazu steigen die Erwartungen an die Politik ins Utopische und mit ihnen die schweren Enttäuschungen gerade in den sensibelsten Bereichen der Gesellschaft.

Anstelle „Sündenböcke“ zu eruieren und mit dem Finger auf Verantwortliche zu zeigen, stünde es uns allen gut an, gemeinsam mutig nach Lösungen zu suchen: „Die da oben“ brauchen „die da unten“ genauso notwendig, wie „die da unten“ „die da oben“ brauchen! Vor allem aber brauchen wir gerade jetzt Begegnungen auf Augenhöhe! Mit gegenseitigen Verteufelungen ist niemandem geholfen!

Demnach geht es beim Sinn meines Lebens nicht darum, dass (für mich) möglichst immer alles passt, sondern (auch) darum, dass ich immer besser jemand werde, der verstehen kann, dass in unser aller Leben immer wieder etwas geschieht, das mir nicht passt. Mit etwas Glück könnte ich dabei immer besser lernen, vor Schwierigkeiten nicht davonzulaufen, sondern Krisen als Chancen zu begreifen, die in mir schlummernden Fähigkeiten auch für andere erfahrbar zu machen.

In diesem Zusammenhang muss ich an das Gespräch einer Enkelin mit ihrer Großmutter denken. „Oma“, fragt sie, „wie hast du es geschafft, mit Opa siebzig Jahre lang verheiratet zu sein?“ „Weißt du“, antwortet ihr die Großmutter, „wir kommen noch aus einer Generation, die die Dinge, die kaputt gegangen sind, nicht weggeworfen, sondern repariert hat!“

So lese ich auch die paulinische Aufforderung zu „unermüdlicher und geduldiger Belehrung“ als Einladung zum „Dranbleiben“, als Ermutigung, in meinem täglichen Umfeld, an einer Atmosphäre mitzuarbeiten, die Sehnsucht hat nach neuen Wegen des Denkens und Handelns; so könnten aus Schwierigkeiten Gelegenheiten wachsen, die uns im Blick zurück darauf stolz sein lassen, was uns trotz allem immer wieder gelingen kann.

 

Arnold Mettnitzer

 

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