Drei Blicke

Sonntagskommentar 13.10.2019 | KLEINE ZEITUNG

11Es geschah auf dem Weg nach Jerusalem:

Jesus zog durch das Grenzgebiet von Samárien und Galiläa.

12Als er in ein Dorf hineingehen wollte,

kamen ihm zehn Aussätzige entgegen.

Sie blieben in der Ferne stehen

13und riefen: Jesus,

Meister, hab Erbarmen mit uns!

14Als er sie sah,

sagte er zu ihnen: Geht, zeigt euch den Priestern!

Und es geschah:

Während sie hingingen, wurden sie rein.

15Einer von ihnen aber kehrte um,

als er sah, dass er geheilt war;

und er lobte Gott mit lauter Stimme.

16Er warf sich vor den Füßen Jesu auf das Angesicht

und dankte ihm.

Dieser Mann war ein Samaríter.

17Da sagte Jesus:

Sind nicht zehn rein geworden?

Wo sind die neun?

18Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren,

außer diesem Fremden?

19Und er sagte zu ihm: Steh auf und geh!

Dein Glaube hat dich gerettet.

Lk 17, 11-19

 

Der Wanderprediger aus Nazareth erlebt die Menschen, die in ihrer Not von weit her zu ihm kommen, als so hilfsbedürftig und des Erbarmens wert, dass er sie zuallererst ermutigt, „sich zu zeigen“, also zu dem zu stehen, was ist. Was benannt wird, kann gebannt werden! Nicht Autorität im Gefälle der Macht, sondern kindliches Vertrauen und voraussetzungsloses Ja-Sagen zu dem, was ist, ist die Grundmelodie jeder heilsamen Begegnung.

Darüber hinaus weiß der Volksmund: „Drei Blicke tu zu Deinem Glück: Vorwärts! Aufwärts! Und zurück!“ Diesen drei Blicken entsprechen im Leben eines Menschen die drei Grundmelodien heilenden Miteinanders: im Blick voraus die Bitte um Hilfe, im Blick zurück ein aus tiefstem Herzen geschuldetes Danke, im Blick nach oben das Eingeständnis, trotz allen Stolzes auf eigene Leistung das Entscheidende im Leben sich schenken lassen zu müssen. Ein Bibelwort stellt dabei die entscheidende Frage: „Was hast Du, das du nicht empfangen hättest? Wenn du es aber empfangen hast, was rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?“  (1Kor 4,7) 

Anderen helfen zu können, hilft mir! Andre tragen zu können, trägt mich und macht auch mich für andere erträglich. In einer Geiz-ist-geil-Gesellschaft, in der ein Mensch davon überzeugt ist, „nichts zu verschenken“ zu haben, mögen Bitte & Danke befremdlich erscheinen. Aber trotzdem weiß im Grunde jeder Mensch, dass Helfen ansteckend und heilend wirkt und jedem Menschen zugemutet werden darf. Hilfe ist kein Privileg von guten Menschen, die nicht selten als „Gutmenschen“ verunglimpft werden! Im Grunde ist jeder Mensch in der Lage, gut zu sein und anderen heilsam Gutes zu tun; in der Regel ist er dabei von der positiven Wirkung seines Handelns genauso überrascht, wie der, dem seine Hilfe zukommt. Friedrich Rückert fasst es in einer Gedichtzeile so zusammen: „Dass du mich liebst, macht mich mir wert!“

Nachlese

Kleine Zeitung
Asche aufs Haupt: Warum wir die Welt noch retten können
20240214 Aschermittwoch.pdf
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