Gedanken für den Tag

Lied überm Staub danach

Gian Lorenzo Bernini, Meister des barocken Rom: Mit spielerischer Leichtigkeit zaubert er Leben in Bronze und Stein…

In besonderer Weise lebendig erscheinen mir die überlebensgroßen Gestalten seiner Grabdenkmäler. Eines dieser Meisterwerke, ein Spätwerk Bernini‘s, ist das Grabmal von Papst Alexander VII:
Eine mit dunklem Marmor eingefasste Tür. Über sie drapiert ein gewaltiges Bahrtuch aus sizilianischem Jaspis. Diesem prunkvollen steinernen Tuch entsteigt der Tod mit dem Stundenglas in der Hand. Der Papst kniet auf hohem Postament und betet… umgeben von den vier Gestalten der Gerechtigkeit, Weisheit, Caritas und Wahrheit.

In der Gestaltung seines eigenen Grabes erscheint Gian Lorenzo Bernini nobel und karg, wie ein Bettelmönch. Seine Gebeine ruhen in der Basilika Santa Maria Maggiore unter dem Boden der Basilika im rechten vorderen Teil der Kirche. Der Besucher geht achtlos darüber; kaum einen halben Quadratmeter groß mag die Marmorplatte sein - wie eine verloren gegangene Briefmarke auf dem weiten Feld des Kirchenbodens nimmt sie sich aus…;  auch die einfache Inschrift darauf ist leicht zu übersehen; sie verzichtet auch auf alle Vornamen und Lebensdaten derer, die in diesem Familiengrab beigesetzt sind:

Hic nobilis famiglia Bernini resurrectionem expectat.
Hier erwartet die vornehme Familie Bernini die Auferstehung.

Gian Lorenzo Bernini, Meister des barocken Rom: Mit spielerischer Leichtigkeit zaubert er Leben in Bronze und Stein…

In besonderer Weise lebendig erscheinen mir die überlebensgroßen Gestalten seiner Grabdenkmäler. Eines dieser Meisterwerke, ein Spätwerk Bernini‘s, ist das Grabmal von Papst Alexander VII:
Eine mit dunklem Marmor eingefasste Tür. Über sie drapiert ein gewaltiges Bahrtuch aus sizilianischem Jaspis. Diesem prunkvollen steinernen Tuch entsteigt der Tod mit dem Stundenglas in der Hand. Der Papst kniet auf hohem Postament und betet… umgeben von den vier Gestalten der Gerechtigkeit, Weisheit, Caritas und Wahrheit.

In der Gestaltung seines eigenen Grabes erscheint Gian Lorenzo Bernini nobel und karg, wie ein Bettelmönch. Seine Gebeine ruhen in der Basilika Santa Maria Maggiore unter dem Boden der Basilika im rechten vorderen Teil der Kirche. Der Besucher geht achtlos darüber; kaum einen halben Quadratmeter groß mag die Marmorplatte sein - wie eine verloren gegangene Briefmarke auf dem weiten Feld des Kirchenbodens nimmt sie sich aus…;  auch die einfache Inschrift darauf ist leicht zu übersehen; sie verzichtet auch auf alle Vornamen und Lebensdaten derer, die in diesem Familiengrab beigesetzt sind:

Hic nobilis famiglia Bernini resurrectionem expectat.
Hier erwartet die vornehme Familie Bernini die Auferstehung.

Man muss den Friedhof von Klagenfurt-Annabichl fast zur Gänze durchschreiten, um zu ihrer Grabstätte zu gelangen. Ein grob behauener weißer Stein trägt in grauer Schrift ihren Namen und die Jahreszahlen: „Ingeborg Bachmann 1926 – 1973“.
In Rom gestorben findet sie hier in ihrer Geburtsstadt Klagenfurt ihre letzte Ruhestätte.
Ein Jahr nach ihrem Tod komme ich als Student nach Rom. Vielleicht ist es ein nicht eingestandenes Heimweh, warum ich damals als junger Student immer wieder nach ihren Gedichten greife?  Geheimnisvoll und melancholisch, wie sie sind, werden sie mir schnell vertraut und eine südliche Begleitmelodie bei meinen Spaziergängen rund um die Spanische Treppe, der römischen Wohngegend von Ingeborg Bachmann…
Ihre Gedichte sind der Versuch, die Liebe zu erklären und mit der Brüchigkeit der menschlichen Sprache zu Recht zu kommen. „Klage führen“ muss sie -  und das „bald endlos und wie um nichts sonst“ - „über den unabwendbaren Verlust meiner Augen“.(vgl. den Schluss des Gedichtes „An die Sonne“)
Im letzten ihrer „Lieder auf der Flucht“ (XV) schreibt sie: „Die Liebe hat einen Triumph und der Tod hat einen, die Zeit und die Zeit danach. Wir haben keinen. Nur Sinken um uns von Gestirnen. Abglanz und Schweigen. Doch das Lied überm Staub danach wird uns übersteigen.“

 

Ingeborg Bachmann, Lieder auf der Flucht, in: Ingeborg Bachmann, Sämmtliche Gedichte, Serie Pieper München Zürich,  Taschenbuchausgabe 1998, Seite 148-157; Lied XV a.a.O. Seite 157

„Muss man denn hier erst gestorben sein, damit sie einen leben lassen? –
fragt Gustav Mahler, als seine Zeit als Operndirektor in Wien zu Ende geht und die Schwierigkeiten und Enttäuschungen zunehmen…

 

Am 21. Februar 1911 dirigiert Mahler in New York sein letztes Konzert. Er ist schon krank. Die Ärzte in Amerika, Paris und zuletzt in Wien können für ihn nichts mehr tun. 
„Anstatt eines geschlossenen Ganzen, wie ich es mir immer erträumt habe, hinterlasse auch ich nur Stückwerk!“ – notiert er resigniert in sein Tagebuch.
Gustav Mahler stirbt am 18. Mai 1911 an einer Krankheit des Herzens. 
Auf dem Grinzinger Friedhof wird er beigesetzt. Voll Kraft und Majestät - wie seine Musik - der grün umrankte Stein über seinem Grab…

 

Mahler, der unendlich viel liest, bis ihm auf dem Totenbett buchstäblich das letzte Buch aus der Hand fällt, verbindet in seinen Werken die Literatur mit der  Musik. Besonders die Volksdichtung und auch Märchen- und Sagenstoffe sowie chinesische Lyrik verwendet er dafür, aber ebenso Texte von Goethe, Grillparzer, Rückert, Klopstock und Friedrich Nietzsche.  Im Alt-Solo in der 3. Sinfonie zitiert er aus „Also sprach Zarathustra“:

 

„O Mensch! Gib acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
Ich schlief!
Aus tiefem Traum bin ich erwacht!
Die Welt ist tief,
und tiefer als der Tag gedacht!“

Wien. Grinzing. Friedhof. Gruppe 21. Reihe 6. Grab Nr. 1.
Thomas Bernhard, gestorben am 12. Februar 1989, wird hier auf eigenen Wunsch im Grab seines „Lebensmenschen“ Hedwig Stavianicek beigesetzt.
Der große zornige Mann ist tot. Der große zornige Mann lebt. Er überlebt in seinem Werk. Sein Schreiben ist Anklage, Hinterfragung, Unruh in den gemütlichen Landschaften der österreichischen Seele.
Aber in seinen Gedichte begegnet mir auch ein anderer Bernhard: Fragend, bangend und durchaus mit einem Hauch von Hoffnung…
„Was werde ich tun, wenn keine Scheune mehr für mein Dasein bettelt,
wenn das Heu in nassen Dörfern verbrennt, ohne mein Leben zu krönen?...
Was werde ich tun, wenn keine Botschaft mehr kommt aus den Gräsern?
Was werde ich tun, wenn ich vergessen bin von allen, von allen…?

 

Volker Bohn (Hrsg), Thomas Bernhard. Gesammelte Gedichte, Suhrkamp Verla 1991, Seite 25


Im letzten seiner „Neun Psalmen“ heißt es:
Ich fürchte mich nicht mehr.
Ich fürchte nicht mehr,
was kommen wird.…
Ich werde sagen,
wie herrlich die Erde ist, wenn ich ankomme,
wie herrlich die Erde ist…
Ohne mich fürchten zu müssen…
Ich erwarte,
daß mich der Herr erwartet.

 

(vgl. ibid. Seite 77-78)