Gedanken für den Tag

Frischer Wind für meine Seele

Gottfried Mayrwöger 1983
Gottfried Mayrwöger 1983

Kunst  ist frischer Wind für meine Seele, ein Hauch von Heiligem Geist im Alltag:
Eines der Kunstwerke in meiner Praxis ist ein farbenfrohes Bild:


Orange. Rot. Grün. Gelb. Blau. Lila. Schwarz:


Ich sehe darin ein Sinnbild für jeden erlebten neuen Tag - von der Morgenröte bis zum Abendrot, vom Zauber des Anfangs bis zum Dunkel der Nacht.
Ich sehe darin aber auch die Farben des Lebens vom zärtlichen Anfang bis zur dunklen Spur des Todes…
Ich sehe in den Farben und Nuancen die vielen Menschen, die mit ihren Fragen und Sorgen meine Praxis aufsuchen…
Und in diesen Tagen ist mir das Bild der Inbegriff dessen, was mit Pfingsten gemeint sein könnte:Die Bibel erzählt dazu eine ewig junge Geschichte:


In Jerusalem treffen Menschen aufeinander: Sie sind sich zwar fremd und doch fühlen sie sich willkommen. Aus den verschiedensten Himmelsrichtungen und aus unterschiedlichsten Gründen sind sie hier: Jeder mit seiner unverwechselbaren Farbe, jeder mit seiner ganz persönlichen Sehnsucht, jeder mit dem einzigartigen Klang seiner Stimme: Ihnen allen wird mit einem Male bewusst: Sie verstehen einander. Vielfalt ist möglich. Unterschiede machen lebendig. Leben ist bunt.                                    

Dominik Guggenberger 1986
Dominik Guggenberger 1986

Kunst  ist frischer Wind für meine Seele, ein Hauch von Heiligem Geist im Alltag:
„Zeitschiene“ nennt sich ein Kunstwerk zwischen den beiden Fenstern meines Therapieraumes: Ein 67 cm langes Stück Eisenbahnschiene, darauf eine Rolle aus Metall. Die Schiene ist mit einer Kerbe versehen.


Diese Einkerbung als Wegmarke mag den Tod bedeuten oder aber jedes andere „einschneidende“ Erlebnis, das uns Einhalt gebietet, und in einer ständig schneller sich fortbewegenden Welt eine neue Qualität von Langsamkeit  notwendig macht…


Der beschleunigte Mensch wird unfähig, bedächtig zu sein und  gründlich zu prüfen; letztlich ist er unfähig, sich hinzugeben: Es mag eine schnelle Leidenschaft, einen rasanten Flirt oder eine kurze Liebschaft geben - Liebe und Hingabe aber brauchen Zeit. Und gerade die Zeit glauben wir nicht mehr zu haben.


Ob ich mich bei der Lektüre einem Buch, beim Wandern einer Landschaft, beim Hören der Musik oder bei der Liebe einem Menschen hingebe: es kann nur gelingen, wenn ich mir die Zeit dafür nehme. Wenn auf der Zeitschiene meines Lebens dafür Rastplätze vorgesehen sind.

Werner Hofmeister 1999
Werner Hofmeister 1999

In Gmünd in Kärnten gibt es auf Initiative des Musikers und Musikpädagogen Manfred Tischitz „das haus des staunens“. Das ehemalige St. Antonius Spital, eines der ältesten Gebäude der malerischen Stadt wurde seit dem Mittelalter vom Spital über die Geburtenstation und Schulexpositur bis hin zum Altenwohnheim vielfach genutzt. In seiner heutigen Verwendung bietet es dem Besucher die Möglichkeit, in die Welt des Staunens, und damit in unerforschte Landschaften des eigenen Lebens und Erlebens einzutauchen.

Mit allen Sinnen kann die Besucherin/der Besucher sehen, spüren und staunen, erleben, erfahren, was es bedeutet, mit dem „Herzohr“ zu hören und Klänge mit den Händen zu fühlen. Mit etwas Glück können sie dabei verschüttete Dimensionen ihres Wesens wiederfinden und das „haus des staunens“ kindlicher und neugieriger verlassen.
Staunen heißt, so da sein, dass man ganz weg ist. Staunen führt den Menschen in neuer Weise zu sich und gleichzeitig über sich selbst hinaus. Nie ist man weniger vom Größenwahn bedroht und in Gefahr, sich mit Gott zu verwechseln als im Moment des Staunens. Darum sind solche Momente das Gegenteil von „Vorbeischauen“, wie wir sinnvollerweise sagen.
„Auf-einen-kurzen-Sprung-vorbeischauen“ kann man im „haus des staunens“ nicht. Die wesentlichste Voraussetzung für einen Besuch dort ist die Zeit, die man sich dafür nehmen muss.

Jede gute Pädagogik, so glaube ich, beginnt mit dem Staunen. In den Häusern unseres Lebens kommt es darauf an, dass wir von innen her berührt werden, uns dort auch berühren lassen und dann zur Sprache bringen können, was uns bewegt.


„Herzohr“ ist der Titel der soeben erschienen CD des Ensembles MonSonA (Michael Hecher, Dagmar Pleschberger, Manfred Tischitz und Gabriele Wagner-Kari) unter der Leitung von Manfred Tischitz.
Werner Hofmeister 2000
Werner Hofmeister 2000

Kunst  ist frischer Wind für meine Seele, ein Hauch von Heiligem Geist im Alltag:Wer meine Praxis betritt, entdeckt links neben der Eingangstür ein ungewöhnliches Kruzifix. Der Gekreuzigte erscheint nicht festgenagelt und aufs Kreuz gelegt, nicht mundtot gemacht und mit Essig getränkt. Seine Arme sind hoch erhoben, seine Füße an den oberen Rand des Längsbalkens geschoben. Er selbst zum Absprung bereit. Auf dem Querbalken in großer Schrift gut lesbar: SPRUNGBRETTEine sieben Meter hohe Variante dieses Werkes befindet sich seit 2003 in Graz am Fuß des Kalvarienberges, dort allerdings mit lateinischer Aufschrift: „tabula saltandi“, was wir auch mit TANZBODEN übersetzen könnten.Kein anderes Kunstwerk könnte für mich besser zum Ausdruck bringen, worum es  in vielen meiner Gespräche mit Patienten geht:Wer aufs Kreuz gelegt wird, findet sich damit nicht ab!Kreuzeserfahrung ist nicht Endstation. Im vermeintlichen Ende liegt ein neuer Anfang, ein „sprungbrett“, von dem aus das Leben neu buchstabiert wird…

Kiki Kogelnik 1996
Kiki Kogelnik 1996

Kunst  ist frischer Wind für meine Seele, ein Hauch von Heiligem Geist im Alltag:Eine meiner Skulpturen trägt den Titel „Ohrenmensch“.  „Du hast mit geöffneten Ohren nicht gehört!“ (Jes 42,20) „Hellhörig erhorchte er doch nichts!“ - So übersetzt Martin Buber diesen Vers aus dem Buch Jesaja. Unser wichtigstes Organ ist das Ohr. Es ist das zuerst ausgebildete, schon im Mutterleib funktionierende Sinnesorgan, - und es ist das letzte, das stirbt, wenn ein Menschenleben verlischt… „Bitte höre, was ich nicht sage!“ schreibt jemand. Ein behutsamer Liebesdienst, den wir uns im Alltag erweisen, besteht vielleicht darin, zwischen den Zeilen zu lesen und hinter den Worten zu hören… Was uns wichtig ist, wagen wir ja nicht ohne weiteres zu sagen. Es könnte lächerlich wirken und zu oberflächlich sein. Dann erzählen sich Menschen oft Dinge, die nichtssagend sind und nichts von alledem, was in ihnen darauf wartet, entdeckt zu werden. So zu tun ‚als ob’ ist eine Kunst, die uns zur zweiten Natur wird. Wir machen den Eindruck, als sei alles sonnig und heiter in uns, innen wie außen, so als brauchten wir niemanden…Man darf uns aus Liebe nicht glauben. Unser Äußeres mag sicher erscheinen, aber darunter sind wir, wie wir wirklich sind: verwirrt, ängstlich und allein…Wer das hören kann, wird für Andere zum Segen. Das Reich des Lebendigen liegt hinter den Worten…

Nachlese

Kleine Zeitung
Asche aufs Haupt: Warum wir die Welt noch retten können
20240214 Aschermittwoch.pdf
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