Erfüllte Zeit

„Gerechter Lohn“

Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg: Mt 20, 1-16

 

Denn mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer, der früh am Morgen sein Haus verließ, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben. Er einigte sich mit den Arbeitern auf einen Denar für den Tag und schickte sie in seinen Weinberg. Um die dritte Stunde ging er wieder auf den markt und sah andere dastehen, die keine Arbeit hatten. Er sagte zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg! Ich werde euch geben, was recht ist. Und sie gingen. Um die sechste und um die neunte Stunde ging der Gutsherr wieder auf den Markt und machte es ebenso. Als er um die elfte Stunde noch einmal hinging, traf er wieder einige, die dort herumstanden. Er sagt zu ihnen: Was steht ihr hier den ganzen Tag untätig herum? Sie antworteten: Nimand hat uns angeworben. Da sagte er zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg! Als es nun Abend geworden war, sagte der Besitzer des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter, und zahle ihnen den Lohn aus, angefangen bei den letzten, bis hin zu den ersten. Da kamen die Männer, die er umd die elfte Stunde angeworben hatte, und jeder erhielt einen Denar. Als dann die ersten an der Reihe waren, glabuten sie, mehr zu bekommen. Aber auch sie erhielten nur einen Denar. Da begangen sie, über den Gutsherrn zu murren, und sagten: Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleichgestellt; wir aber haben den ganzen Tag über die Last der Arbeit und die Hitze ertragen. Da erwiderte er einem von ihnen: Mein Freund, dir geschieht kein Unrecht. Hast du nicht einen Denar mit mir vereinbart? Nimm dein Geld und geh! Ich will dem letzten ebensoviel geben wie dir. Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will? Oder bist du neidisch, weil ich /zu anderen) gütig bin? So werden die Letzten die Ersten sein und die Ersten die Letzten.

 

In Franz Kafkas Roman „Das Schloß“ wird ein köstlicher Traum erzählt vom jüngsten Tag, an dem die Gerechten zuschauen müssen, wie auch die Ungerechten in den Himmel eingelassen werden. Das aber treibt den Gerechten sosehr die Galle ins Gesicht, dass sie unwillig werden und beginnen, wüste Beschimpfungen gegen die anderen auszustoßen.
Der Traum endet damit, dass die Ungerechten im Himmel und die Gerechten ob ihrer Beschimpfungen in der Hölle landen…

 

Es ist von uns Menschen offenbar schwer auszuhalten,
wenn wir Zeuge vom Glück des Anderen werden. Und instinktiv fragen wir uns, ob der andere sein Glück überhaupt verdient hat…

 

Ein Sprichwort sagt:
„Der Mensch hat zwei Feinde: Den Beneider und den Bewunderer.“
In beiden Fällen trennt uns ein tiefer Graben voneinander.
Zu große Bewunderung schafft einen zu großen Abstand.
Und nagender Neid eine zerstörende Nähe: Nichts lässt mein Auto so schnell alt werden wie die Tatsache, dass sich der Nachbar ein neues gekauft hat…

Wer rechnet, wie wir es gewöhnt sind, hat damit seine liebe Not und nie genug!
Liebe aber rechnet nicht, sondern gibt, was möglich ist.
Wer so beim Geben aufs Rechnen vergißt, verwirrt vielleicht seine Umgebung, aber er hat nie zuwenig, und es ist für alle mehr da, als sie zum Leben brauchen…

 

Dass es möglich ist, auch noch in der letzten Stunde dazuzustoßen, dass es offenbar nicht darauf ankommt, von früh bis spät zu schuften und das ein Leben lang, um sich den Himmel zu verdienen, das hat im Frühchristentum zu einer skurrilen Haltung und sehr menschlichen Mathematik geführt:
Viele liebäugelten mit dem Christentum, wollten sich aber nicht taufen lassen, weil sie befürchteten, durch die Art ihres Lebens die Taufgnade wieder zu verlieren. Lieber wollten sie wohltatenspendende Sympathisanten bleiben, die sich dann am Sterbebett taufen ließen und so sicher sein konnten, mit reiner Weste in den Himmel zu kommen. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat auch Kaiser Konstantin aus diesen Gründen erst kurz vor seinem Tod die Taufe empfangen.

 

Die himmlische Mathematik in der Geschichte von den Arbeitern im Weinberg ist eine unsere Gewohnheiten übersteigende „etwas andere Art zu rechnen“, es ist die Art, der Erich Fried ein eindrucksvolles Gedicht gewidmet hat:

 

Was es ist

 

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
Sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

 

 

Arnold Mettnitzer

Nachlese

Kleine Zeitung
Asche aufs Haupt: Warum wir die Welt noch retten können
20240214 Aschermittwoch.pdf
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