„nur Taube wissen wie Hören tut,
und warten im Eisblock des Schweigens …“


Harald Schreiber 2007
liegender Kopf, Marmor, Römersteinbruch Gummern, Kärnten
Foto: Schreiber


Die Lavant


"Horch!" Mit diesem Wort beginnt Christine Thonhauser, die Dichterin in der Einschicht des Lavanttals, von dessen Wasserschlagader sie ihr Pseudonym entlehnt hat, ihr vielleicht bekanntestes Werk „Die Bettlerschale“. Zum Schluss der "Bettlerschale" heißt es in einem Gedicht:
"Hören, hören! - O du mein Gott -nur Taube wissen wie Hören tut,und warten im Eisblock des Schweigensauf dein lebendiges Wort."
Die Sehnsucht der Dichterin verlangt nach einem Hören, das Wunder wirkt und letztlich bis in den Himmel reicht. Davon wissen nur Taube. Und ihr Wissen "im Eisblock des Schweigens" kommt aus der Sehnsucht, doch gehört und nicht überhört zu werden; es kommt aus dem Hunger nach einem "lebendigen" Wort, einem, das zu Herzen geht und bewegt, aufrichtet und stärkt, einem Wort, das, wie es die Weisheit des Asklepios fordert, heilende Wirkung haben kann. Ausculta! Höre! Das ist auch das erste Wort in der Regel des Benedikt: "Höre, mein Sohn, auf die Weisung des Meisters, neige das Ohr deines Herzens, nimm den Zuspruch des gütigen Vaters willig an und erfülle ihn durch die Tat!" Die allererste Regel, die Benedikt von Nursia für seine Ordensbrüder festlegt, setzt einerseits voraus, dass jemand zuhören kann und, dass da jemand ist, der sein Herz öffnet im Vertrauen darauf, dass ihm jemand zuhören will. Echter Dialog ist nur mit offenem Herzen und daher vorbehaltlos möglich. Das weist hinein in das weite Land von Psychotherapie und Seelsorge. Bei aller notwendigen Unterscheidung haben die beiden hier ein großes gemeinsames Feld: die Praxis des Hörens. Paulus schreibt an die Römer (Röm 10,17): "Ergo fides ex auditu - also kommt der Glaube aus dem Hören!" Was der Mensch über sich selbst wissen kann, seine Identität und sein Schicksal hat er sich nicht in erster Linie durch wissbegierige Beschäftigung mit sich selbst zusammengetragen. Er ist, wie Martin Buber sagen würde, am Du zum Ich geworden. Er hat gelernt "Ich" zu sagen, weil er andere neben sich entdecken konnte, die an ihm, seinen Gedanken und Gefühlen Anteil nehmen und davon mehr erfahren wollten. Ein Ordensmann schreibt als Kommentar zum ersten Wort der Regel des Benedikt: "Wir entdecken uns, weil da ein anderer neben uns ist, der wissen will, wer wir sind, und dem wir uns erzählen wollen. Wir können aushalten, was wir dabei über uns erfahren, nicht weil uns nichts anderes übrig bleibt – selbst wenn die Wahrheit wehtut –, sondern weil wir uns darauf verlassen können: Der andere achtet mich, was immer ich ihm sage; dass wir uns entschieden haben, uns ihm zu offenbaren, empfindet er als ein Zeichen unserer Achtung für ihn, und er zeigt das auch. Das geduldige, ernste, liebende Zuhören des anderen stützt und stärkt uns."


aus Arnold Mettnitzer, Klang der Seele S 13 - 14

Nachlese

Kleine Zeitung
Asche aufs Haupt: Warum wir die Welt noch retten können
20240214 Aschermittwoch.pdf
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