OHRENMENSCH
Bronze

 

Kiki Kogelnik


„Jeden Morgen weckt Gott mir das Ohr, damit ich höre, wie Lehrlinge hören.“ So übersetzt Martin Buber einen Vers aus dem Buch Jesaja. Das AT und auch das NT, beide weisen darauf hin, dass unser wichtigstes Organ das Ohr ist. Es ist das am ersten ausgebildete, schon im Mutterleib funktionierende Sinnesorgan, und es ist das letzte was stirbt, wenn ein Mensch stirbt. Kiki Kolgelnik hat in ihrem „Ohrenmenschen“, so heißt die Skulptur, wahrscheinlich auch darauf hinweisen wollen. Sie zeigt uns einen Kopf mit Öffnungen, die Öffnung des Mundes, der Augen, der Nase und auch die beiden Ohren, und nennt diese Skulptur der Sinneswahrnehmung „Ohrenmensch“, um darauf hinzuweisen, dass es vor allem darum geht zu hören.
„Du hast deine Ohren offen, und doch nicht gehört.“ Ich denke, das muss ein beschämender Befund sein, wenn jemand im Blick auf sein Leben, so etwas sagen muss. Und darum der Versuch, jeden Tag neu die Ohren zu öffnen und zu hören und möglichst nicht zu überhören, was zu hören wäre. Das denke ich könnte ein Leitmotiv für ein persönliches Leben sein.
Zu Weihnachten hab ich von einem Tonmeister eine CD geschenkt bekommen mit dem Titel und dem von ihm gestalteten Thema „stilles Plätzchen“. Und er hat mir an bedeutenden Stellen seines Lebens den Klang der Stille an für ihn wichtigen Plätzen aufgenommen. Das war für mich fürs erste ein so unglaubliches Unternehmen, dass ich geglaubt habe, er will sein Spiel mit mir treiben – bis ich dann beim Anhören seiner stillen Plätze selber ganz still geworden bin und merken konnte, wie fein unser Ohr ist, wenn wir ihm die Möglichkeit bieten, auch zu hören, was man gerne überhört, wenn man das Ohr nicht trainiert und nur ständig der Geräuschkulisse unseres Alltags aussetzt.
Die anspruchsvollste Höraufgabe des Menschen in meinem Verständnis ist der Gehorsam im besten Sinne des Worte, das will heißen, die Bereitschaft von mehreren gemeinsam auf das zu hören, was zu tun ist, was uns miteinander verbindet, was wir einander geben können, damit miteinander Menschen das haben, was sie füreinander brauchen. Das Wort Gehorsam kommt von „horchen“ und kommt von einer Bereitschaft etwas Gemeinsames zu unternehmen, gemeinsam hinzuhören, das heißt nicht blind gehorchen und aufs Wort parieren, sondern miteinander hören um zu schauen, was für uns alle da ist und dann diese Gaben, die wir dann „erhorchen“ so gerecht zu verteilen, dass alle etwas davon haben. Wir haben ein feines Gespür, ein inneres Bedürfnis zu ergründen was wir brauchen. Im Grunde wissen wir es. Wir wissen nur nicht, wie wir es dann, wenn es da ist und wenn es uns zufällt, so verteilen, dass es für alle reicht.