tabula saltandi

 

Werner Hofmeister


sträwkcür run nebeL

sad nam nnak nehetsreV

Leben muss man es aber vorwärts.


(Sören Kierkegaard)


Leben will und muss mit dem Blick nach vorne gelebt werden! Kein Wunder, dass wir wissen wollen, was die Zukunft bringt! Christen bitten in einem ihrer zentralen Gebete darum, dass ihnen diese Zukunft eine neue, eine andere, eine bessere Zeit, ja den Himmel selbst bringen möge.
Zwar meint Stanislaw Lec ernüchternd: „Wer den Himmel auf Erden sucht, der hat im Erdkundeunterricht geschlafen!“ Und trotzdem: Zeit seines Lebens blickt der gesunde Mensch nach vorne, hat Sehnsucht nach Veränderung, nach einer besseren Welt, nach dem Himmel. Lebendig bleibt er nur, wenn er nicht Halt macht und nicht stehen bleibt, sich mit dem Rahmen des Gegebenen nicht abfindet, wenn er ständig im Blick nach vorne auf der Suche nach Neuem ist. Als die Triebfedern des Lebendigen aktiviert er dabei seine kostbarsten Fähigkeiten: Neugier, Phantasie und Begeisterung.
Wo ihm das nicht mehr möglich ist, verfinstert sich sein Blick und er verliert seine innere Balance. Nichts treibt ihn, nichts begeistert und erfüllt ihn mehr, antriebslos fühlt er sich verloren und Himmlisches scheint weit weg zu sein.
Der Künstler Werner Hofmeister hatte zunächst für die 4. Klasse einer Volksschule, also für Schüler kurz vor dem Absprung in eine andere Lebenserfahrung, eine Skulptur geschaffen, die den Gekreuzigten am oberen Rand des Längsbalkens als Abspringenden zeigt. Hofmeister verschiebt den Gekreuzigten „nach oben“ und deutet so das scheinbar aussichtslose, festgenagelte Karfreitagsdilemma als Aufbruch, Erlösung und Sprung in die Freiheit/Zukunft. Auf dem Querbalken steht das Wort „springboard“ - „Sprungbrett“ oder wie in der monumentalen Ausführung des Werkes am Fuß des Grazer Kalvarienberges (2003): „tabula saltandi“ - „Tanzboden“. Damit ist für mich auf den Punkt gebracht, worum es im Leben vor allem dann geht, wenn es scheinbar nicht mehr geht. In Momenten der Erstarrung, des Festgefahren-Seins, des Nicht-mehr-weiter-Wissens rettet uns der Blick nach vorne, die (nicht mehr für möglich geglaubte) andere Perspektive des Lebens: „Auferstehung“ als Gegenpol der Erfahrung des „Aufs-Kreuz-gelegt-und-angenagelt-Seins“.
„Mensch lerne (wieder) tanzen, damit die Engel im Himmel an dir ihre Freude haben!“ – ruft Augustinus von Hippo. Es gehört zu den schönsten Erfahrungen in meiner Arbeit, miterleben zu dürfen, wie zunächst entmutigte und gefesselte Menschen nach langen Phasen der Blockade und des Stillstands „entfesselt“ und mit neuen Augen in die Zukunft blicken können. Der/die Gekreuzigte wird wieder lebendig und „beginnt zu tanzen“, ermutigt, die Welt und sein/ihr eigenes Leben mit anderen Augen anzuschauen. Wem die Gnade des Glaubens gegeben ist, der fängt dabei zu beten an, nicht nur, dass „Dein Reich“, sondern endlich auch  „MEINE ZEIT KOMME!“


Arnold Mettnitzer