Metanoia 1994
Franz Motschnig
Blau. Meine Lieblingsfarbe. Sie bewirkt von allen Farbempfindungen die tiefste Beruhigung. Experimente beweisen, dass bei längerem Betrachten von Dunkelblau die
Atmung langsamer wird, der Puls abnimmt und der Blutdruck sinkt.
Wassily Kandinsky hat das Blau als „konzentrische Bewegung“ beschrieben und gemeint, dass diese Farbe vom Mitmenschen weg ins eigene Zentrum führt: „Je tiefer, desto
mehr ruft es den Menschen ins Unendliche, weckt in ihm die Sehnsucht nach Reinem und schließlich nach Übersinnlichem“.
Der Himmel und das Meer, die tiefsten unserer Betrachtung zugänglichen Räume, erscheinen uns blau. Die Weiten des Himmels und der Meere machen Blau auch zur Farbe
des Fernwehs…
Andererseits verwenden wir die blaue Farbe aber auch, um Ausreden und Lügenmärchen zu umschreiben: Schon im 16. Jahrhundert ist von „blauen Argumenten“ die Rede:
Heute sagen wir dazu, dass einer „das Blaue vom Himmel herunter lügt“ oder aber, dass einer den anderen anlügt, „dass er blau wird“…