Von einer Reise nach Holland, schon vor Jahren, habe ich ein Foto mitgebracht; es zeigt einen bemerkenswerten Grabstein auf dem alten Friedhof von Roermond.
Vor über 100 Jahren wurde dort ein Ehepaar begraben. Weil aber ein Partner nicht katholisch war, durfte er auch nicht im Grab seines katholischen Partners bestattet werden. Die Familie kaufte
deshalb zwei Grabplätze an der Friedhofsmauer, den einen innen, den anderen außen. Die beiden Grabsteine wurden so hoch gestaltet, daß sie die Friedhofsmauer überragten; und heute noch halten
zwei Hände aus
Marmor über der Mauer zusammen, was vor 100 Jahren aus religiösen Gründen getrennt werden sollte.
„Was Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen“, mit diesen Worten beschließt der Priester den katholischen Ritus der kirchlichen Trauung. Woher aber weiß ich am Anfang eines gemeinsamen Lebens, ob da wirklich Gott verbunden hat? Wie ernst ein Ja-Wort einem Partner gegenüber gemeint ist, zeigt sich am Ende, nicht am Anfang eines gemeinsamen Lebens.
Menschen scheitern oft an unüberwindbaren Mauern, die sie in ihrem Leben vorfinden oder aus vielerlei Gründen im Laufe eines Lebens selbst errichten.
Was ist dann noch zu machen, wenn nichts mehr zu machen ist?
Ratschläge sind hier sehr schnell Totschläge.
Mit Idealen tut sich die Seelsorge leichter als mit Krisen. Das Einmahnen dessen, was schön und gut wäre, ist bequemer als den Menschen in seiner konkreten Situation zu begreifen und ihn gerade
dort zu begleiten, wo Glück in Brüche gegangen ist. Angesichts menschlicher Not und Tragik ist es zuwenig und ganz bestimmt lieblos, daran zu erinnern, daß das alles nicht hätte passieren
dürfen.
Wenn deshalb jemand der Kirche vorwirft, es gehe ihr mehr um das Gesetz als um den Menschen, sie kümmere sich mehr um die Friedhofsmauer als um das Leben nach dem Tod, so muß eine solche Kritik
sehr ernst genommen werden. Mit Gesetzen und Vorschriften konnte noch kaum jemand getröstet werden.
Über manches Scheitern menschlicher Pläne, im Blick auf jahrelang schwierige und unglückliche Beziehungen, muß man auch in der Seelsorge sagen dürfen: Was Gott wieder getrennt hat, das soll der
Mensch nicht krampfhaft ein Leben lang verbunden halten.
Das sagt nichts gegen eine geglückte Ehe, im Gegenteil, es hebt sie heraus und unterstreicht ihren Wert. Wer möchte nicht, daß sein Glück ein Leben lang dauert? Die Liebe zweier Menschen, wenn
sie gelingt, dauert aber dann nicht nur, bis der Tod sie scheidet, sie hat Bestand und Wert über den Tod hinaus.
Wir sagen: „Liebe macht blind!“
Der Grabstein in Roermond sagt: „Liebe macht erfinderisch“, sie ist stärker als der Tod und offensichtlich mächtiger als gesellschaftliche Normen und religiöse Vorschriften.