Eine vom Leben geschriebene Weihnachtsgeschichte


Dr. Otto Arnoscht, seit 1967 in den USA, schreibt im März 2013 dem Grenzlandchor folgende Email:  

„Es war ein dunkler, kalter Abend in Wien im Oktober 1957, und ich war zehn Jahre alt, allein, und wanderte in der inneren Stadt in Wien herum, um unter allen Umständen so spät wie möglich nach Hause zu gehen. 

Meine Familie war zerrüttet, mit täglichem Streit, Hass, Furcht, monatlichen Selbstmordversuchen meiner gestörten Mutter und einen Vater, der schon vor Jahren aus meinem Leben verschwunden war. Meine Mutter lebte mit mir und ihrem Vater, einem schrecklichen Choleriker und Alkoholiker.

Die Lehrer in meinen Schulen waren täglich entsetzt, dass ich meine Aufgaben nicht gemacht hatte und dass ich alle Erwachsenen mit meinem Leben enttäuschte. 
Ich war erst zehn Jahre alt, aber ich war schon hoffnungslos und einsam wie ein alter Alkoholiker. Ich war einer der schlechtesten und schwierigsten Fälle der Behörden. 
Und an diesem Oktoberabend war mir auch sehr kalt.



 

Als ich um die Ecke kam, Kärntnerstraße und Kupferschmiedgasse, hörte ich ganz verzaubernde Töne. Da war ein Schallplattengeschäft mit einem Lautsprecher über der Türe. Es war spät und das Geschäft schon geschlossen, aber das Radio Ö1 war über den Lautsprecher zu hören. Und wie ich zur Auslage gehe höre ich diese wunderbaren Töne, dieses herrliche und so einprägsame Lied. Es erzählt von Liebe, von Familie, von dem herrlichen Gefühl, jemanden gern zu haben, von der seeligen (sic!) Erfüllung, andere in unserem Leben zu unterstützen und zu schätzen. 



 

Dieses Lied sprach direkt zu mir. Ich war ganz befangen und gerührt. Ganz plötzlich änderte sich meine Lebenseinstellung. Da gab es Hoffnung. Da gibt es Leute, da draußen, irgendwo, die andere lieben, die gut sind zu anderen, die sich wohl fühlen in ihrer Familie und unter Freunden. Da gibt es Menschen, die menschlich sind. 

Und dann kam das Lied zum sanften Ende, als ob es Engel gesungen hätten, Engel, die mich ansprechen wollten. Und der Moderator im Radio sagte mit bewegter Stimme: „Das war der Grenzlandchor Arnoldstein.“  

 

Dieser Moment war vor 57 Jahren und er hat sich so sehr in mein Hirn eingeprägt, 
ist so sehr in mir verankert, als wäre es gestern gewesen. Mit neuer Hoffnung und Ehrgeiz habe ich dann maturiert und bin in die Vereinigten Staaten ausgewandert. Diesen Moment aber habe ich nie vergessen. 

Sobald ich den Grenzlandchor im Internet finden konnte, habe ich mir sofort alle verfügbaren CD’s gekauft und mich entschlossen, nach Österreich zu fliegen, um persönlich ein Weihnachtskonzert des Chores mitzuerleben. 

 

Für die Botschaft der Liebe, der Hoffnung, der Menschlichkeit und der Seeligkeit (sic!) ihrer Musik möchte ich ihnen danken. Ihr Gefühl in ihrem Lied gab mir die Stärke und Gewissheit, dass da gute Menschen in der Welt sind, dass ich erfolgreich werden kann, wenn ich andere Menschen liebe und unterstütze und meine Familie schätze. Sie gaben mir die Hoffnung und die Liebe, die ich brauchte. 

Ich danke ihnen unendlich! Sie gaben mir das Geschenk der Liebe und eines guten Lebens. Ich wünsche Ihnen alles Gute! Man weiß ja nie, wann Ihre künstlerischen Anstrengungen etwas Besonderes für jemanden bedeuten.“

 


Für Dr. Otto Arnoscht erfüllte sich dieser sein jahrelanger Traum 
am 14.12.2014 im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins. 
Nach dem Weihnachtskonzert des Grenzlandchores 
überreichte er der Chorleiterin Hedi Preissegger
als Zeichen seiner tiefen Dankbarkeit einen Strauß weißer Rosen. 


Nachlese

Kleine Zeitung
Asche aufs Haupt: Warum wir die Welt noch retten können
20240214 Aschermittwoch.pdf
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