Von der guten Blindheit der Liebe

„Nur ein der Liebe beraubtes Auge findet stets den Fehler. 


Welche Fehler es auch immer findet, es sind nur seine eigenen Fehler.


Liebe ist keine Tugend. Liebe ist eine Notwendigkeit,


mehr als Brot und Wasser, mehr als Licht und Luft.


Lasst niemanden auf die Liebe stolz sein. 


Atmet vielmehr die Liebe ein und atmet sie so unbewusst und frei aus,

wie ihr die Luft einatmet und wieder ausatmet.


Denn die Liebe braucht niemanden, der sie erhöht. 


Die Liebe wird das Herz erhöhen, das ihrer würdig ist. 


Die Liebe leiht nicht und borgt nicht; 
die Liebe kauft nicht und verkauft nicht;


aber wenn sie gibt, gibt sie alles; 


und wenn sie nimmt, nimmt sie alles. 


Sogar ihr Nehmen ist ein Geben. 


Sogar ihr Geben ist ein Nehmen. 


Darum ist sie stets dieselbe: heute, morgen und in alle Ewigkeit.

 

So wie ein mächtiger Strom, der sich ins Meer ergießt, stets wieder durch das Meer aufgefüllt wird,

so müsst ihr euch selbst in die Liebe ergießen, damit ihr immer von Liebe erfüllt seid.


Der Teich, der die Gabe des Meeres dem Meere vorenthalten wollte, 
wird zum stehenden Gewässer…

 

Oft höre ich euch sagen, die Liebe sei blind, womit ihr meint,


dass sie keine Fehler in dem Geliebten erkennen kann. 


Diese Art Blindheit ist der Höhepunkt des Sehens. 


Wäret ihr nur immer so blind, dass ihr nirgendwo einen Fehler erblicken könntet.

 

Klar und durchdringend ist das Auge der Liebe. Darum sieht es keine Fehler. 


Wenn die Liebe euer Sehvermögen gereinigt hat, dann werdet ihr nichts mehr sehen,


was eurer Liebe unwürdig ist.

Nur ein der Liebe beraubtes Auge findet stets den Fehler. 


Welche Fehler es auch immer findet, es sind nur seine eigenen Fehler.

 

Liebe ist der einzige Urheber des Wunders. Wenn du sehen willst,


lass Liebe in der Pupille deines Auges sein. 


Wenn du hören willst, lass Liebe im Trommelfell deines Ohres sein.

 

„Das Buch des Mirdad“ von Mikhail Naimy, einem sehr engen Freund von Kalil Gibran

Nachlese

Kleine Zeitung
Asche aufs Haupt: Warum wir die Welt noch retten können
20240214 Aschermittwoch.pdf
Adobe Acrobat Dokument 348.6 KB

Vorschau