Eremitenexklusivbericht

Ein Projekt für Linz 2009 Kulturhauptstadt Europas: Eine Woche lang ganz allein. In luftiger Höhe. Auf Rückzug, als Turmeremit in der Türmerstube des Linzer Mariendomes. Immer schon wollte ich das machen. Und als ich im Jänner dieses Jahres an einem eisig kalten Nachmittag vor dem Linzer Dom stehe, frage ich unumwunden nach freien Zeiten. Die einzige noch bis zum Sommer freie Woche stellt sich auch für mich als die einzig mögliche dar: Karfreitag, 14.04.2017  bis zum Freitag nach dem Ostersonntag, 21.04.2017: EIN WAHRER HOCHGENUSS IN 70 METERN HÖHE

 

OSTERN IM TURM


(14.04. – 21.04.2017)

 


nach sieben tagen ein gedicht


als eremitenxklusivbericht


 

karfreitagsratschen locken


wie sonst glocken


menschen


zum gebet


 

auch ich hör ihre kunde


gehe im dom die große runde


und entzünde


kerzen


 

steig hinauf die vielen stufen


die nach eremiten rufen


bezieh mit rucksack meine klause


und fühl mich ziemlich schnell zuhause


 

freu mich, 


dass ich von hier 


den turm nicht seh‘ und sage dir:


hier ist der schönste ort der stadt


 

die weiß gott schönre türme hat


doch keiner ist so hoch wie dieser


in siebzig metern höhe ist er


mein kleines heim für sieben tage


 

da sitz ich nun und sage


nichts, versuch zu schweigen


und mache mir den raum zu eigen


und schau durchs fenster auf die stadt


 

die hat


mich bestenfalls verschwommen


in dieser höhe wahrgenommen


doch morgens am karsamstag latschen


 

kinder lachend mit den ratschen


als wären sie gespenster


vorbei an meinem fenster


anstatt hier oben zu verstummen



 

beginn ich mit der zeit zu summen:


lieder, die aus studienzeiten


mir sehr vertraut sind, viel bedeuten


ich sing sie einfach vor mich hin


 

wenn ich im dom alleine bin


und hinter mir das tor verschlossen


sing ich sie laut und unverdrossen


aus voller kehle innig heiter


 

das bringt mich weiter


als nur beten


und seelengartenunkrautjäten


mags auch für fromme unfromm klingen


 

für mich bedeutet beten singen


aus lust am klang zum ausdruck bringen


dass erd und himmel sich vereinen


wenn menschen danken hoffen weinen


 

zum glück hat uns die osternacht


glockengeläut zurückgebracht


mit mozart, händel, volksgesang


zaubert es reinsten seelenklang


 

mein fazit aus den linzer tagen


ist leicht in einem satz zu sagen:


unser singen alles klingen


braucht die stille zum gelingen

 



arnold mettnitzer, am einundzwanzigsten april 2017